Veranstaltung: | 62. Landesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen am 16./17. Mai 2025 in Neukieritzsch |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Leitantrag |
Antragsteller*in: | Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen (dort beschlossen am: 24.04.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.04.2025, 14:26 |
Leit: Wirklich solide Finanzpolitik ist nachhaltig
Antragstext
Die derzeitige Finanzlage in Sachsen zeigt es deutlich: Ein verantwortungsvoller
Umgang mit unseren finanziellen Mitteln ist wichtiger denn je. Wir stehen vor
großen Herausforderungen. Für die jetzige und für künftige Generationen gilt es,
unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Andererseits müssen
bedarfsgerechte und multifunktional gedachte Infrastrukturen geschaffen,
erhalten und ausgebaut werden.
Neben vielen engagierten Bürger*innen im Land braucht es dafür finanzielle
Ressourcen. Diese werden von den Menschen erarbeitet. Der Respekt vor deren
Leistung gebietet, die begrenzten finanziellen Mittel zielgerichtet,
wirkungsvoll und sparsam einzusetzen. Das ist die Aufgabe solider
Haushaltspolitik.
Die Mär, dass Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik allein durch „eine schwarze
Null“ erzielt wird, ist auserzählt. Sachsen verdient und braucht eine
Haushaltspolitik, die der Komplexität unserer Zeit und unserer Lebensgrundlagen
gerecht wird und sich als Querschnittsaufgabe über alle politischen
Handlungsfelder erstreckt. Andere Bundesländer sind in ihrem Verständnis und bei
den eingesetzten Instrumenten bedeutend weiter. Dieser sächsische Rückstand
begründet sich auf der von der Realität widerlegten CDU-Legende, der Haushalt
müsse wie eine „schwäbische Hausfrau“ agieren.
Seit Jahrzehnten betreibt das CDU-geführte Finanzministerium in Sachsen das
Gegenteil solider Haushaltspolitik – getragen von der eigenen Partei und der
sächsischen Sozialdemokratie: Investitionen wurden systematisch vernachlässigt
und so ein gefährlicher Investitionsstau geschaffen. Es fehlt an einem klaren
Konzept, das die realen Herausforderungen anerkennt und annimmt – mit dem
Ergebnis, dass Ungleichheiten wachsen und Leistungen immer weniger Wohlstand
bringen, während gleichzeitig notwendige Zukunftsausgaben ausbleiben. Die
scheinbare Schuldenfreiheit wurde teuer erkauft. Heute erleben wir die Folgen
unterlassener Investitionen – von kaputten Schulen über unzuverlässigen ÖPNV bis
hin zu handlungsunfähigen Kommunen. Der aktuelle Haushaltsentwurf 2025/26 ist
Ausdruck dieser falschen Politik. Er steht in seiner sparwütigem
Konzeptlosigkeit dem Ziel, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern
entgegen und ermöglicht weder vorausschauende Investitionen noch bietet er
Lösungen für die Probleme der Gegenwart. Diese Zustände gefährden nicht nur
unsere wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch den gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Es ist Zeit, ökologische und soziale Gefahren nicht länger
kleinzureden – Klimawandel und soziale Härten sind keine Zukunftsszenarien,
sondern Realität.
Wir stehen für eine tragfähige und nachhaltige Haushaltspolitik, die Vernunft
und Solidarität vereint - transparent, wirkungsorientiert und mit klaren
Prioritäten. So erhalten wir Lebensräume und bleiben handlungsfähig. Wir haben
das Prinzip der Nachhaltigkeit verinnerlicht und verstehen es als ganzheitlichen
Ansatz. Dazu binden wir die Dimensionen solide Haushaltspolitik, ökologische
Vernunft und soziale Gerechtigkeit zusammen. Dabei entstehen auch Zielkonflikte.
Das ist keine Schwäche, sondern ein Mehrwert gegenüber einer
Entscheidungsfindung auf Basis von Einzelkriterien. Erst im Spannungsfeld
verschiedener Zielbilder – und hier insbesondere der Haushaltspolitik – und der
damit einhergehenden Abwägungen sind Entscheidungsfindungen im Sinne der
Nachhaltigkeit als ganzheitliche Lösungen möglich. Nachhaltigkeit beschränkt
sich nicht auf Finanzpolitik, sondern ist ein übergeordnetes Leitprinzip und
somit Querschnittsaufgabe des gesamten politischen Handelns. Eine
Haushaltspolitik ist erst solide, wenn öffentliche Mittel in diesem Sinne
nachhaltig und gemeinwohlorientiert eingesetzt werden.
Grundlage jeglicher verantwortungsvollen Haushaltswirtschaft ist Klarheit über
die aktuellen Verhältnisse und eine der kaufmännischen Vorsicht folgende
Darstellung erwartbarer Entwicklungen. Dabei orientieren wir uns nicht nur an
der Liquidität, sondern nehmen auch Vermögenswerte in den Blick, denn jede*r
moderne Unternehmer*in und Wirtschaftswissenschaftler*in weiß, dass es keinen
Unterschied gibt zwischen 10,0 Mio. EUR Darlehensschulden und maroder
Infrastruktur, die für genau den gleichen Betrag saniert werden muss. Wir wollen
das Vermögen des Freistaates erhalten und ausbauen. Dabei denken wir allerdings
nicht nur in Gegenständen, sondern auch in Wissen - das Vermögen der Zukunft.
Das bedeutet für uns vor allem:
- Wir stehen für einen zukunftsgerichteten, modernen Investitionsbegriff: Er
muss anerkennen, dass Wissen, Zusammenarbeit, Technik und Handwerk sowie
digitale Kompetenz die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts bilden. Wer
heute in dieses Know-how investiert, sichert die Innovationskraft und
Leistungsfähigkeit von morgen in Wirtschaft und Verwaltung.
- Tragfähige Finanzpolitik bedeutet für uns die Sicherstellung der
finanziellen Handlungsfähigkeit unseres Freistaates auch mittel- und
langfristig. Die Mittelfristige Finanzplanung des Freistaates muss die
finanziellen Risiken für den Freistaat endlich vollständig ausweisen: sei
es das Risiko der vorfristigen Insolvenz der Braunkohleunternehmen, die
enormen Lasten im Bereich Wasserversorgung oder die Folgen der Klimakrise
und der demografischen Entwicklung.
Praktische Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Die
Schuldenbremse in unserer Verfassung versagt insbesondere dann, wenn es darum
geht, auf konjunkturelle Schwankungen angemessen zu reagieren und
wirtschaftliche Härten abzufedern. Andere Bundesländer sind uns hier voraus. Sie
können flexibel reagieren und so wichtige Strukturen erhalten.
Auch auf Bundesebene ist nunmehr wegen des verantwortungsvollen BÜNDNISGRÜNEN
Engagements der Weg für notwendige Zukunftsinvestitionen und
volkswirtschaftliche Impulse auch durch die Aufnahme von Krediten mit klaren
Leitplanken frei. Damit wird die staatliche Handlungsfähigkeit gestärkt und
sichergestellt, dass die Gesamtverschuldung dauerhaft tragfähig bleibt. Das
zeigt, dass eine andere, solide Finanzpolitik möglich ist.
- Darüber hinaus fordern wir, die Möglichkeiten des Grundgesetzes zur
Darlehensaufnahme verantwortungsvoll für nachhaltige Zukunftsinvestitionen
in Land und den Kommunen in Sinne der Transformationsaufgaben (unter
anderem Gestaltung der Energiewende, der Mobilitätswende, der
Klimafolgenanpassung, Digitalisierung und demografische Entwicklung) und
den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu nutzen.
Transparente Informationen sind die Grundlage für eine ziel- und
wirkungsorientierte Haushaltswirtschaft. Alle Ausgaben, einschließlich
Förderungen müssen Zielen folgen und in Hinblick auf ihre Wirkung reflektiert
werden. Wir wollen, dass die bisherige Hand-in-den-Mund-Mentalität einem
vorsorgenden Umgang mit den uns anvertrauten Mitteln weicht. Deshalb kommt es
darauf an, nicht reine Leistungserstellungen zu kommunizieren, sondern auch
deren Wirkungen und Ergebnisse darzustellen bzw. abzuschätzen. Das bedeutet für
uns vor allem:
- Die vergangenheitsbezogene Rechnungslegung ist im Rahmen einer
Nachhaltigkeitsberichterstattung um qualitative Aspekte zu ergänzen, die
Chancen und Herausforderungen beschreiben. Insbesondere Umwelt- und
Klimarisiken sind als Finanzrisiken offenzulegen, soweit sie noch nicht
verantwortungsvoll bewertet werden können. Dabei orientieren wir uns an
anerkannten Regeln für öffentliche und private Organisationen.
- Der Staatshaushalt soll in wesentlichen Dimensionen wie seiner Wirkung in
Hinblick auf soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit
anhand von klaren Indikatoren qualifiziert werden. Durch die Entwicklung
relevanter Leistungskennzahlen erweitert sich die Betrachtung auf die
Wirkung (Outcome) der eingesetzten Haushaltsmittel zur Erreichung der
Nachhaltigkeitsziele.
- Unsere Förderlandschaft ist grundhaft unter Berücksichtigung von
Nachhaltigkeitskriterien vor allem im Wirtschaftsbereich zu konsolidieren.
Effizienz und Wirksamkeit sind beispielsweise durch Instrumente, die einen
Return ermöglichen, sicherzustellen. Bei der Wirtschaftsförderung müssen
Ausstiegsszenarien von Anfang an mitgedacht und den Einzelfördersummen
entsprechend, angemessene formale Anforderungen gewährleisten werden, um
eine Überbürokratisierung bei Kleinstförderungen und die damit
einhergehenden bürokratischen Belastung der sächsischen Wirtschaft zu
verhindern.
Unsere Kommunen sind die Wiege unseres Wohlstandes und des gesellschaftlichen
Zusammenhalts. Eine wichtige Grundlage dafür ist ihre finanzielle
Handlungsfähigkeit. Städte, Gemeinden und Landkreise stehen vor großen
Herausforderungen. Der Erhalt und die Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge
steht dabei in unserem Fokus. Es ist ein nicht hinnehmbarer Tabubruch der
aktuellen Minderheitskoalition, den kommunalen Finanzausgleich in den kommenden
Jahren ohne Einigung mit der kommunalen Familie zu gestalten und erneut keine
Reform tatsächlich anzugehen. BÜNDNISGRÜNE Politik setzt dagegen auf
Zusammenarbeit und der fruchtbaren Suche nach Gemeinsamkeiten. Das bedeutet für
uns vor allem:
- Um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu garantieren, sind deren
tatsächliche Bedarfe von großer Bedeutung. Dabei sind insbesondere auch
ökosystemare Dienstleistungen zu berücksichtigen und Mittel für die
Klimawandelanpassung strukturell zu sichern. Deshalb ist es notwendig, die
gesetzlichen Regelungen so anzupassen, dass Kommunen besser in der Lage
sind, unbürokratisch und selbstverantwortlich ihre Zukunfts- und
Pflichtangaben zu erfüllen.
- Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs halten wir nach wie vor für
unausweichlich und unabdingbar. Die Transformationsaufgaben auf kommunaler
Ebene müssen als prioritär verstanden werden und finanzielle Unterstützung
erfahren. Wir stehen für einen modernen kommunalen
Finanzausgleichsmechanismus, der gleichermaßen die Herausforderungen
wachsender, aber auch schrumpfender sowie ländlicher, aber auch
städtischer Kommunen berücksichtigt.
Finanzielle Mittel stehen nicht endlos zur Verfügung. Es ist natürlich, dass
Wünsche häufig die Möglichkeiten übersteigen. Um das Beste für Sachsen zu
erreichen, müssen auch im Haushalt klare Prioritäten gesetzt werden. Wir müssen
auskömmlich finanzieren, was unserem Land Chancen eröffnet, den Zusammenhalt
sichert und unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützt. Das kann nur auf der
Grundlage einer verbindlichen Nachhaltigkeitsstrategie und mit transparenten
Wirkungsanalysen verantwortungsvoll umgesetzt werden. Dabei geht es auch darum,
ineffiziente und ziellose Maßnahmen und Prozesse zu identifizieren und zu
korrigieren. Unsere Leitlinien und Ziele sind klar. Jetzt kommt es darauf an,
sie anzugehen. Das bedeutet für uns vor allem:
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